Sieben Stufen zur Erleuchtung
1. Stufe
Lerne, dich auf die Gemeinschaft einzulassen, und harmonisch in ihr zu leben!
„Gemeinschaft“ bedeutet: dass du dich mit allen Facetten als Teil der Gemeinschaft siehst und in Verbundenheit darin lebst. Die erste Priorität, die Buddha für Mönche und Nonnen wie für alle Menschen aufzeigt, ist: „Das Zusammenleben.“
Wenn wir uns mit dem Weg der Spirituellen Entwicklung befassen, meinen wir, es geht darum, dass wir irgendwann erleuchtet werden. Aber wenn wir es nicht einmal schaffen, miteinander ohne Streit gemeinsam zu leben auf dieser Erde, wie wollen wir dann auf dem spirituellen Weg weiterkommen?
Wenn wir Menschen nicht das Zusammenleben als Grundlage für jegliche Entwicklung sehen, dann haben wir unser Fundament verloren. Wir müssen lernen, jedem Menschen aufrichtig zu begegnen, offenherzig zu sein, ihn anzunehmen, wie er ist, und dankbar zu sein, dass er in unserem Leben ist.
Wenn diese Grundlage der Gemeinschaft als höchste Priorität im Leben geschaffen ist, dann wirst du, dann wird die Menschheit davon profitieren. Die menschliche Entwicklung muss in der Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit, Rücksicht und Verantwortung aufgebaut sein.
Nur DANN ist es möglich, dass ein Mensch sich wahrhaftig begegnet.
2. Stufe
Mir selbst wahrhaftig in meinem inneren Raum in der Stille begegnen und mich im Spiegel der Anderen betrachten!
Dies ist der 2. Schritt, den der Buddha uns lehrt.
Wenn du es geschafft hast, dich in der Gemeinschaft einzubringen, wo immer diese für dich relevant ist – sei es deine Familie, deine Sangha oder sonstiges - und mit jedem ihrer Mitglieder friedvoll umgehen kannst, dann wirst du verstehen, dass es in dir genauso ist mit allen Aspekten, denen du dort begegnest. Die Aspekte in dir sind ein Spiegel der Menschen, denen du begegnest.
Für deine Entwicklung ist es ganz wichtig, dass du dir wahrhaftig begegnest.
3. Stufe
Nimm dir Zeit in deiner Stille, in deiner Ruhe, in deinem eigenen Raum!
Diese Zeit ist nur für dich da. Du bist nicht abgelenkt, du bist nur auf dich fokussiert und du nimmst direkt Verbindung mit dir auf, um zu sehen, was ist überhaupt in mir. Du musst so ehrlich sein, auch den Schattenseiten in dir zu begegnen - den Mut aufbringen, diese Schattenseiten anzuschauen, da reinzugehen und zu entdecken: was ist da überhaupt?
Dafür nehmen wir Menschen uns wenig Zeit. Wir rennen lieber ins Licht, dorthin, wo wir gesehen werden. Wir wollen unsere Schattenseiten gar nicht sehen. Für die spirituelle Entwicklung ist es aber ganz wichtig, dass du in deine Dunkelheit gehst.
Denn dort entdeckst du deine Kraft. Weil du dich als Ganzheit erkennst. Weil du dich in deiner Vollkommenheit annehmen kannst, egal wie du bist.
Nur wenn du dir diese Zeit nimmst, schaffst du es, im Leben für dich gerade zu stehen, unabhängig von dem, womit Gesellschaft und Medien versuchen, dich zu manipulieren.
4. Stufe
Meiner Einsamkeit, meinem Alleinsein begegnen, mich selbst erkennen und lernen, mit mir in Verbindung zu gehen!
Wer den spirituellen Weg geht, muss wissen, dass er diesen seinen Weg allein gehen muss. Wer nach innen auf seine Spirituelle Reise geht, der muss in der Lage sein, seiner Einsamkeit zu begegnen, denn durch die Einsamkeit verstehen wir uns viel mehr. Da begegnest du dir selbst. Dann bist du mit dir in der Konfrontation. Du siehst ganz klar, wer du wirklich bist.
Wenn du dich auf dich selbst einlassen kannst, dich mit dir verbinden kannst und dich wirklich annehmen kannst, dann öffnet sich eine neue Dimension. Diese Dimension nennt der Buddha „die Dimension der Liebenden Güte.“ Und nur wenn du dich für die Liebende Güte öffnest, bist du bereit, das Leben zu umarmen. Dann gelingt es dir, deine Vorstellungen, Erwartungen und Zielsetzungen, deine Träume und Wünsche loszulassen und erfüllt zu leben.
Wenn du mit der Liebenden Güte die Welt betrachtest, erkennst du, dass sich alles gegenseitig bedingt und miteinander verbunden ist, und dann ist dein Herz SO gefüllt mit Dankbarkeit, dass du ein Dach über dem Kopf hast, dass die Sonne scheint, dass es regnet, so dass du für jegliche Begegnung im Leben dankbar bist - und dass in dir die Freude aufsteigt: JA, es ist richtig, was mir im Leben begegnet.
Auch wenn das manchmal schmerzhafte Momente sind, die du nur verstehst, wenn du bereit bist, sie anzuschauen, ihnen zu begegnen, sie zu umarmen. Durchschaust du aber den Schmerz, der daher rührt, dass wir an unseren eigenen Erwartungen und Vorstellungen festhalten – und wenn du darüber hinaus gehst – dann dringst du in eine andere Dimension ein.
Der Buddha nennt es die Dharma-Dimension. Übersetzt heißt es „Kosmische Energie.“
5. Stufe
Die Kosmische Energie und Fülle erfahren!
„Die Kosmische Energie“ hört sich esotherisch an. Was ist das überhaupt? Es ist die kostbare Fülle, die wir nicht spüren, nicht wahrnehmen, tatsächlich aber zu jeder Zeit erleben.
Allein, dass du einatmest – dass du überhaupt leben kannst. Wir leben in einer so großen Fülle – du wirst getragen durch dein ganzes Leben – durch alle möglichen Wiedergeburten wurdest du getragen – aber wir spüren diese Fülle nicht, weil wir ständig in der Trennung sind. Trennung, weil du DA bist – und ich HIER bin.
Weil wir noch nicht verstanden haben, dass jeder und jedes eine Bereicherung für den anderen ist, was Thay anhand einiger Beispiele erläutert:
Nicht nur ich und du – sondern der Baum da draußen genauso – oder der Hund – oder das Baby. Alles ist eine Bereicherung für das Leben.
6. Stufe
In der inneren Fülle „tief schauen“ in dieses Leben!
Wenn du dein Herz auf diese Art und Weise öffnest und durch diese Bereicherung stimulieren lässt, dann beginnt ein tiefes Schauen in dieses Leben. Bei diesem Tiefen Schauen in das Leben verstehen wir, dass alles miteinander vernetzt ist, dass alles so liebevoll zusammengehalten ist. Dass alles miteinander schwingt. Dass nichts voneinander getrennt ist. Dass alles in einer kompakten Einheit ist.
Wenn du in diese Matrix eintauchen kannst, verstehst du: eigentlich sind wir niemals voneinander getrennt.
7. Stufe
Sehen: ich bin mit allen und allem verbunden – es gibt keine Trennung!
An diesem Punkt kannst du spüren, dass - egal, was sich auf dieser Welt bewegt, egal welche Phänomene sich zeigen – es im Herzen oder im Kern das Leben ist, das pulsiert. Und das Leben ist die Verbundenheit.
Wenn du dich so anschaust und mit dir verbunden bist, öffnet sich das ganze Universum für dich. Du begegnest dir. Dann kannst du dich zeigen.
Dann gehst du in die Welt – gehst Verbindungen ein – baust für dich ein Leben auf – lernst dich kennen, wer du wirklich bist – und dann bist du ein Mitglied dieser großen Gemeinschaft, in der wir alle gemeinsam leben.
Thay fordert uns zum Abschluss seines Teachings auf, über unsere Lebenszeit nachzudenken und wie wir sie sinnvoll für uns einsetzen, und mit der Basis anzufangen:
- miteinander zu leben und die Gemeinschaft aufzubauen,
- und mit diesem Impuls zu lernen, mit Dankbarkeit wahrzunehmen, was das Leben uns alles schenkt.
Er wünscht uns viel Glück und Kraft und Lebensenergie, uns mit uns selbst und mit der Gemeinschaft zu verbinden!
Basierend auf einem Teaching von Thay am 7.5.2019, zusammengestellt von Ingmut Dossow und Marianne Kahm