Gier, Hass und Verblendung
Auszug aus Thays Teaching anläßlich des WINTERRETREAT 2019
Diese 3 Aspekte prägen unser Leben, wir halten sie in uns fest - das galt zu Buddhas Zeiten und ist heute immer noch aktuell, auch wenn die Begriffe vielleicht erstmal etwas ungewöhnlich klingen:
1.die Gier – etwas, was wir wollen –
2.die Ablehnung – oder die Energie von Hass
3.die Verblendung – daß wir bestimmte Sachen nicht annehmen können, neue Namen dafür geben
In dieser Dreier-Kombination zeigt sich, wo wir JETZT im Leben stehen.
**** GIER – ICH – Subjekt/Aktiv ****
Als Subjekt bist du der aktive Part in deinem Leben – in der Beziehung – in jeder Konstellation.
Wenn du der aktive Part bist, dann weißt du ganz genau, was du willst.
Du sprichst klar aus: „Ich möchte DAS haben. Ich will DAS NICHT haben. DAS gehört mir.
Bis hierhin – und nicht mehr.“
Das bedeutet: im aktiven Part kennst du deinen Wert, deine Wertigkeit, deinen Platz im Leben, dein Ansehen und deine Wahrnehmung.
Die Wahrnehmung, wie man dich wahrnimmt, und wie du die anderen wahrnimmst.
DIESE Thematik ist für dich ganz klar.
Aus dieser Perspektive erkennst du, ob man dich mag oder nicht.
Du erkennst, ob man deine Wertigkeit wertschätzt, ob man dir deinen Platz streitig macht, ob man dich anerkennt, und wie man dich wahrnimmt. Das ist dir bewußt.
DAS sind die Menschen, die eine aktive Haltung haben, die aktiv in ihrem Leben sind, und aktiven Zugang zu den Menschen haben.
Das bedeutet: sie warten nicht – sie handeln.
Sie bekommen keine Anweisungen – sie geben Anweisungen.
Sie bekommen keine Ansage – sondern sie geben die Ansage.
Wir müssen sehen: wo bist du aktiv in deinem Leben?
Denn sobald du nicht aktiv bist, rutschst du entweder auf die passive Position, oder sogar in die Abhängigkeit, d.h. du paßt dich an entsprechend, wie man mit dir umgeht.
**** HASS – SELBST – OBJEKT/PASSIV ****
Menschen, die NICHT aktiv in ihrem Leben sind, die einen Standby-Modus haben, die schauen, was ihnen das Leben anbietet und sind passiv. Das heißt: Egal, was das Leben ihnen anbietet, haben sie das Gefühl, keinen Zugang dazu zu haben. Du verdienst es nicht, und es gehört dir auch nicht.
In dieser passiven Position siehst du stets einen, der etwas von dir will.
Aus der Hass-Position erscheint es uns, daß ein aktiver Mensch aus der Gier-Position unsere Grenzen überschreitet, in unser Territorium eindringt, mir meine Wertigkeit streitig macht und meinen Platz einnimmt.
Wir sehen, daß irgendjemand ständig etwas will, z.B. unsere Aufmerksamkeit.
Du verspürst aus deiner passiven Position diesen Moment, wo er deine Aufmerksamkeit will, als eine Grenzüberschreitung. Das bedeutet: er definiert dich, wie du was machen solltest. Ob du Lust hast, ihn anzuschauen oder nicht, das fragt er dich nicht, und das interessiert ihn auch nicht.
In deiner Wahrnehmung ist: Er nimmt etwas von dir weg.
DIESER Aspekt ist nur da, weil du auf der passiven Position bist.
Ist man in diesem Modus, trägt man gleichzeitig 2 Aspekte:
1.Einerseits die Selbstablehnung. In dieser Selbstablehnung sind viele Facetten: Ich bin nicht wert genug, ich habe keinen Platz, ich zweifle an jeglicher Akzeptanz, ebenso an der Wertschätzung.
Nimmt man dich wahr, kommst du in Zweifel oder sogar in Mißtrauen.
2.Da du Selbstablehnung in dir trägst, resultiert daraus, daß du einsam bist.
Daraus resultiert, daß du alles allein machen mußt. Positiv hört sich das an wie „Selbständigkeit“.
Diese Selbständigkeit ist nicht aus sich heraus entstanden (wie bei einem aktiven Menschen).
HIER ist die Selbständigkeit aus der Not heraus entstanden: weil ich alles ablehne, muß ich allein gehen.
Selbständigkeit und Eigenständigkeit werden Unterschieden:
Die Selbständigkeit liegt im Tun-
Die Eigenständigkeit in der Emotion.
In der passiven Position muß ich eigenständig sein: ob es mir gut geht oder nicht, DAS beachtet NIEMAND.
Das Ganze gibt mir das Gefühl, wirklich im Stich gelassen zu sein.
Jeder, der hier im Winterretreat sitzt, ist ein Beobachter.
Für JEDEN ist wichtig: aus welcher Ecke beobachtest du das Leben?
Beobachtest du aus dem aktiven oder dem passiven Part?
Kann es sein, daß ich mich in der Mitte befinde? Oder ständig wechsle?
Das würde bedeuten: es ist eine Widersprüchlichkeit, eine Spannung, eine Spaltung da.
Man kann sich nicht entscheiden: Mag ich das oder nicht?
D.h. man muß in jeder Situation schauen: wofür entscheide ich mich?
Das ist meistens sehr schwierig zu entscheiden, weil in deinem Leben immer jemand ist, der einen aktiven Part übernimmt. Da ist auch immer jemand, der den passiven Part übernimmt.
D.h. sowas wie „das Kind steht immer dazwischen“.
Das Kind sieht: der Vater macht etwas – die Mutter macht alles mit – dann steht das Kind da und hat keinen Loyalitätskonflikt. Irgendwie hat es immer das Gefühl, zu jemandem stehen zu müssen.
Solange das Kind in der Mitte steht, glaubt das Kind: ich habe keine Probleme.
Aber gleichzeitig hat das Kind einen Konflikt mit sich selbst.
Beispiel: Das Kind mag den Vater – den aktiven Part. Es traut sich aber nicht, das zum Ausdruck zu bringen. Es merkt auch: die Mutter schimpft den Vater mit Recht. Aber es hat SO viel Mitgefühl für den Vater und gleichzeitig Verständnis für die Mutter. Was macht das Kind nun in sich? Es verdreht sich wie ein Handtuch. Gefühlsmäßig steht das Kind zur Mutter – verstandesmäßig zum Vater.
Viele Kinder, die diese Spannung von klein an haben, haben eine Skoleose. (=Wirbelsäulen-Verkrümmung).
Eine Hilfe für das Kind ist, wenn es vor den Eltern mehrere Male aussprechen kann:
„Ich liebe dich, meinen Vater – und ich darf das. Ich darf zu meinem Vater stehen.
Aber das heißt nicht, daß ich dich Mutter verrate. Ich liebe dich genauso.“
An der Wirbelsäule des Kindes kann man nach einiger Zeit erkennen, daß es sich wieder zurück dreht.
Solange wir innerlich, seelisch, diese Anspannung haben, ist die Verrenkung ständig da.
**** Verblendung – EGO – Funktion/ abhängig ****
Wer sich in seinem Verhalten und im Umgang mit den Menschen beobachtet und nur funtioniert, der verliert seine Position. D.h. er schaut auf ein bestimmtes Verhalten und daraus resultiert sein Umgang.
Er schaut die Menschen an und paßt sich an. Er ist bständig in Funktion als Anpasser, und deshalb ist seine Position eine Abhängigkeit von einer oder von mehreren Personen.
Wer sich abhängig macht, darf sich selbst nicht wahrnehmen. Er darf seine Bedürfnisse nicht nach vorne stellen. Die Bedürfnisse anderer sind wichtiger. In sich muß er ständig das Gefühl haben: „Ich bin unwichtig.“
Da er sich abhängig macht, ist es für ihn ganz wichtig: „Wenn im Außen alles in Ordnung ist, dann bin ICH in Ordnung. Wenn die Menschen um mich glücklich sind – DANN erst bin ich glücklich.“
Das ist Co-Abhängigkeit.
So eine Person hat eine hohe Sensivität. Sie spürt alles, nimmt alles wahr, nimmt alles in sich auf und befindet sich deshalb in einer ständigen Überforderung.
Da diese Person keine eigene Position hat, braucht sie einen Ankerpunkt, um ihre eigene Existenz zu definieren.
Dieser Ankerpunkt ist entweder Schmerz oder Krankheit.
Nochmal: derjenige, der in seiner eigenen Verblendung ist, sieht sich selbst nicht. Er ist geblendet.
Er glaubt sogar, er würde eine ganz andere Person sein.
Es ist für diese Person SEHR wichtig, eine andere Person zu sein. Aber WELCHE, das weiß sie auch nicht. Deshalb macht sie sich auf den Weg und fragt sich: „Welche Person bin ich? Indem ich meine Sensibilität immer hochfahre und mich ständig anpasse, überfordere ich mich stets. Weil ich nicht aus MEINER Energie heraus arbeite, sondern aus einer fremden Energie.“
Diese Überforderung ist ihr Lebenselexier. Ohne Überforderung spürt diese Person gar nichts.
Ohne diese Überforderung hat diese Person das Gefühl: „Ich bin leer. Ich habe keine Verbindung. Ich habe keine Andockstelle.“
Das ist antrainiert. Man soll es nicht „runterfahren“. Sondern daß du das, was du schon jahrelang trainiert hast, FÜR DICH anwendest und nicht nach außen.
Es ist erstaunlich, WIE eine solche Person sich SO gut auf verschiedenen Ebenen verarschen kann.
Sie sagt: „Ich tue doch etwas für mich! Ich habe doch meine Wertigkeit! Ich habe doch meinen Platz!“
Aber diese Wertigkeit ist fremdbestimmt. Den Platz hat jemand dir gegeben. Du hast ihn dir nicht selber genommen.
Wenn so jemand entscheidet: „Ich mache eine Weltreise nach Indien. Ich bin selbständig,“
muß derjenige genau hinschauen, daß er nicht aus der Hass-Energie entscheidet: „Weil ich noch NIE das bekommen habe und mich noch nie getraut habe, mache ich es jetzt. Oder weil ich so behütet aufwuchs, mache ich mich jetzt schmutzig. Oder weil ich keine Anerkennung von meinem Vater bekam, entscheide ich jetzt selbständig.“ Dann arbeitet man nur aus der Polarität heraus. Man muß aufpassen, daß es nicht die Selbstzerstörungs-Energie ist. Man glaubt, man ist eigenständig. Aber trotzdem verletzt man sich selbst.
SO einer Person empfiehlt Thay, daß sie sich Zeit für sich ganz allein nimmt, um genau ihr Verhalten und ihren Umgang mit den Menschen immer wieder zu beobachten.
Wenn Thay zu so jemanden geht, stellt er fest, daß ihre Umgangsart immer „scheißfreundlich“ ist.
Sie merkt das selbst auch und findet es mitlerweile „Scheiße“.
Warum kommt sie aus diesem netten Modus nicht raus, obwohl sie alles durchschaut hat, daß sie nicht nach ihrem Herzen und ihren Wünschen gehandelt hat, und daß sie immer noch angepaßt ist?
Sie ist angepaßt und angepißt – und muß jetzt schauen, wie sie von ihrem Platz aus die Verbindung mit den beiden anderen „Personen“ in sich (=Gier + Hass) aufbaut.
Sie findet in ihren Konstellationen und Möglichkeiten, daß sie ständig in der Spannung zwischen zwei Personen ist.
Beispiel: Sie findet einen Mann. Der Mann hat aber schon ein „Objekt“. Das ist aus ihrer Sicht normal. Sie nimmt es nur wahr. Und aus ihrer Perspektive sieht sie gar nicht, daß ihr irgend etwas ganz allein gehören soll. Wenn sie ihr Verhalten nicht ändert, ermöglicht sie, daß der Mann weiter sein „Objekt“
aufrecht erhält, und das neben der Beziehung mit ihr.
Sie kann ihr Verhalten ändern, indem sie ihre Haltung gegenüber den Menschen und ihre Haltung anders aufmacht, indem sie ihre angepaßte Position verläßt und auf die aktive Position geht.
Damit verletzt sie evtl. den anderen oder sie holt sich ihren Wert, ihr Ansehen und ihren Platz wieder zurück.
Alles sind die 3 Gifte.
Ganz wichtig: Wenn du dich schon vergiftest, dann sollst du aktiv wissen, welches Gift du einnimmst.
Nicht daß du passiv Gifte einnimmst, bei denen du nicht die Möglichkeit hast, zu variieren oder die Inhaltsstoffe zu verändern.
Deshalb sagt der Buddha:
„Es ist ganz wichtig, für Leute, die auf dem spirituellen Weg gehen, ihre Gier zu vergrößern, um zu sehen: DU bist der Initiator für dein Leben. Du bist der Karma-Macher. Für dich soll es klar sein, daß du das Entscheidungsrecht für dein Leben in deiner Hand hast, wo dein Leben langgeht.
Mit diesem Entscheidungsrecht kannst du auch selbst entscheiden:
„Ich bin gierig für die spirituelle Entwicklung.
Ich bin gierig, nach Hause zu kommen.
Ich bin gierig, die Befreiung zu erlangen.“
Ganz klar zu sehen, was für eine Gier das ist.
Wenn du ganz klar siehst, was für eine Gier das ist, dann weißt du auch, welche „Objekte“ du dafür brauchst, um dahin zu kommen.
Du entscheidest über deine „Objekte“.
Und auf dem Weg siehst du gleichzeitig, daß du dich immer wieder selber verblendest, daß du dich nicht siehst, daß du deine Wahrheit schon wieder anpaßt, und in deine Abhängigkeit gehst.
Wenn du auf der aktiven Rolle oder Position bist, heißt das für den Buddha, daß du mehr bewußt wahrnimmst, was passiert. Daß du bewußt die Verantwortung übernimmst für das, was hier passiert. Von den anderen Positionen aus können wir die Verantwortung anderen in die Schuhe schieben.
Wir entscheiden über unsere eigene Verantwortung!
Zusammengefasst von Ingmut Dossow