Dankbarkeit stärken
Wie fühlen wir uns, wenn wir uns in Begleitung einer Person befinden, die uns ständig kritisiert? Nicht nur kritisiert, sondern jedes Wort von uns abwertend kommentiert, ebenso unseren Gesichtsausdruck, unsere Haltung unsere Kleidung – uns quasi in den Reißwolf wirft? Wir würden Reißaus nehmen – NIE WIEDER dieser Person begegnen wollen!
Aber wir KÖNNEN ihr nicht entgehen, sie klebt an uns Tag und Nacht – denn diese Person sind wir selbst. Sie hat ihren festen Wohnsitz IN uns.
Hören wir ihre leise Stimme?
Sie sagt: „Wie siehst du wieder aus! Unmodern! Verknittert! Was für ein Gesicht machst du! Was für ein Unsinn kommt da aus deinem Mund! Kannst du nicht nachdenken, bevor du deinen Mund aufmachst? DAS war wieder mal ganz fehl am Platz!
Diese innere Stimme trainiert den ganzen Tag hindurch die Unzufriedenheit mit uns, so dass wir meinen, je unzufriedener wir sind, desto mehr müssen wir uns verbessern. So ist die ganze Gesellschaft aufgebaut: sie impft uns ein: Je unzufriedener wir sind, desto besser sollen wir werden. Schauen wir uns nur die Werbung an: „Nimm Vitamine zu dir – das macht dich jung, fit und vital.“„Dein iPhone ist nicht das Beste – es ist veraltet.“
Je unzufriedener ich bin, desto mehr habe ich den Drang, etwas Neues zu haben.
Der Buddha aber lehrt uns: Nur wer die Zufriedenheit in sich trägt, bekommt auch das Glück. Das Glück aber bekommen wir nur durch die Dankbarkeit.
Vieles, wie „Wasser aus der Wand – Licht durch einen Schalter“ - ist in unserem Alltag SO selbstverständlich, dass wir nicht an Dankbarkeit denken.
Fangen wir als erstes mit der Dankbarkeit für uns selbst, für unsere Person an.
Scanne einmal deinen Körper durch – wie viel du durch ihn hast.
Zeige ihm deine Dankbarkeit, indem du gut für ihn sorgst!
Dankbarkeit nicht nur für das Positive, sondern auch für das Negative, wie wir an dem folgenden Beispiel sehen können.
Eine Frau litt an schmerzhafter, chronischer Blasenentzündung, von der sie kein Antibiotikum befreien konnte. Thay hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Blasenentzündung ein Symptom für die Wut sei, die sie in sich trug, und ihr geraten, ihre Wut loszulassen.
Für sie war es selbstverständlich, „rücksichtsvoll“ zu leben und keine Wut haben zu dürfen. Als an Weihnachten ihre Schwiegermutter zu ihr sagte: „Du solltest mir gegenüber ein bisschen mehr Dankbarkeit zeigen,“ antwortete sie spontan „NEIN“. Sie begründete ihr Nein: „Dein Sohn ist mein Mann. Aber ich habe eigentlich keinen Mann, weil du darauf bestehst, dass er immer weiter dein Sohn ist, und DU über ihn bestimmst.“ Danach merkte die Frau, wie gut es ihr tat, sich nicht angepasst zu verhalten. Als ihr Mann darauf bestand, sich bei seiner Mutter zu entschuldigen, geriet sie vollends in Wut und tobte los.
Tage später merkte sie: je mehr sie zu ihrem Nein stand, desto deutlicher verringerte sich ihre Blasenentzündung.
Ihr Körper zeigte ihr: Das ist der richtige Weg.
Vieles, worauf uns unser Körper hinweist, beachten wir nicht, und sind ihm deshalb nicht dankbar.
Das zweite ist unsere Beziehung: worauf uns unser Partner hinweist, wollen wir nicht beachten. Wenn er sagt: „Schau mal – DA ist dein Thema,“ dann rennen wir lieber davon weg, lenken uns ab, zerstreuen unsere Gedanken, oder gehen in Schuldzuweisung. Dankbarkeit dafür aufzubringen, ist schwierig.
Das Dritte ist: Dankbarkeit gegenüber Kollegen: Sie triggern unser EGO mit ausgesprochenen und unausgesprochenen Hinweisen: „DA ist noch eine Schwachstelle – DA ist noch eine Schwachstelle.“
Alle 3 genannten Personen – ich selbst – mein Partner – meine Kollegen – bringen mich immer wieder an „mein Thema“.
Thay ermutigt uns, die 3 genannten Ebenen zu reflektieren, dann können wir Dankbarkeit kreieren, um uns weiter zu entwickeln:
1.ICH – innen / 2.Partner = EGO im Außen / 3.Kollegen = EGO im Außen
Uns mit unseren vielen Facetten, nicht nur mit dem Positiven, sondern auch mit unseren Schwachstellen, dem sogenannten Negativen, zu bejahen, bringt uns in tiefe Verbindung mit uns selbst. Genau danach aber sehnt sich jeder Mensch.
Eine Übung zu Dritt (s. Grafik) brachte uns unseren beiden EGO-Stimmen in uns selbst näher. Diese Stimmen mit ihren stimulierenden, entwertenden Sätzen, sind im eigentlichen unsere eigenen. Lasse ich mein EGO mit mir reden, dann ist immer eine Bewertung da.
Lasse ich die Stimme meines Ich mit mir reden, berührt mich ein Gefühl. Meistens findet die Kommunikation mit den Menschen im Außen auf der EGO-Ebene statt, selten auf der ICH-Ebene. Auf der Ich-Ebene haben wir die Polarität „Glück – oder Leid.“ Es liegt in unserer Hand, was wir davon verstärken.
Je ehrlicher ich bin, desto tiefer und stabiler ist die Verbindung zu mir selbst im Innen und zu Anderen im Außen.
Auf der Grundlage eines Teachings von Thay zusammengefasst von Ingmut Dossow.